Mail Art in Dresden 1980- 1990
Kunsthaus Raskolnikow e. V. · Galerie Dresden
(Jo Siamon Salich alias Jörg Sonntag)
Martina und Steffen Giersch, Jürgen Gottschalk, Birger Jesch, Joachim Stange und Jörg Sonntag
Eröffnung am Donnerstag, den 2. November 2023 um 19 Uhr
Einführung: Marie Egger
SoundCollage: Jo Siamon Salich, G.X. Jupitter Larsen/Californien
Texte: Jürgen Gottschalk
Dauer der Ausstellung: verlängert bis 20. Januar 2024
Im Netzwerk der Mail Artisten hat jeder die Möglichkeit, zu einem eigenen Kunst-Projekt einzuladen. Dazu wird ein Thema vorgegeben, Einladungen werden gestaltet, Einsendeschluss und Format festgelegt. Dann wird der Aufruf an beliebig viele Adressaten weltweit verschickt. Die eintreffenden Arbeiten verbleiben im Archiv des Initiators. Er erstellt und versendet einen Katalog oder zumindest eine Adressliste aller Teilnehmer, um weitere Kommunikation zu befördern. Oft entsteht eine Ausstellung, in der alle eingesandten Arbeiten gezeigt werden. Bis heute gibt es ein internationales Beziehungsgeflecht, aus dem heraus jederzeit eine neue, gemeinsame künstlerische Arbeit begonnen werden kann.
Diese Retrospektive zeigt vielfältige Beispiele aus den Archiven der sechs ehemaligen Dresdner Akteure, die alle mehrere Projekte in den 1980ern Jahren organisierten. Das Ministerium für Staatssicherheit beobachtete diese Szene aufmerksam, konfiszierte Briefe, verhinderte Ausstellungen und Treffen und schlug zu, als einige der Mail Artisten ihren Unmut über die politischen Verhältnisse zu unverblümt äußerten. Es gab Vernehmungen, Geldstrafen und illegale Wohnungsdurchsuchungen. Das Ziel war, einen Straftatbestand festzustellen und entsprechend abschreckend zu ahnden. Dem Dresdner Siebdrucker Jürgen Gottschalk beispielsweise wurde wegen eines in seiner Werkstatt aufgehängten Solidarnosc-Plakats die Druckerlizenz entzogen. 1984 wurde er verhaftet und verurteilt.
Das erste Mail Art-Projekt, das unzensiert in der DDR ausgestellt wurde, war im Februar 1981 in der Trachauer Weinbergskirche zu sehen. Birger Jesch aus Dresden-Löbtau hat 200 DDR-Luftgewehr-Zielscheiben in “alle Welt” verschickt. Die zurückgekehrten rund 50 Bearbeitungen waren eine Ermutigung für die Friedensbewegung unter dem Dach der Kirche. Das Projekt war später in weiteren Kirchen zu sehen.
Daneben gab es auch Mail Art-Ausstellungen in privaten Räumen wie dem Atelier von Jörg Sonntag, der das Projekt “Das Paradies der Arbeiter” des holländischen Mail Artisten Kees Francke zeigte. Dieser reiste 1986 mit seinem “Mail Art-Projekt im Koffer” durch Europa.
Die auf unterschiedliche Weise vervielfältigten Motive der Mail Art – made in GDR bezogen sich häufig auf Tabuthemen wie Meinungsfreiheit, Abrüstung und Umweltschutz, für die es damals keine Öffentlichkeit gab.
Kunsthaus Raskolnikow e. V. · Galerie
Böhmische Str. 34 · 01099 Dresden ·
http://www.galerie-raskolnikow.de
Bürozeiten: Montag – Donnerstag 10.00 – 15.00 Uhr
Galerie: Mittwoch – Freitag 14.00 – 18.00 Uhr
Die Galerie ist auch zu den Bürozeiten zugänglich.
“Freie” Kunst der DDR – Neustadt-Geflüster vom 9.11. 2023
Heinz Weißfolg: Ein Fenster zur Welt, DNN vom 3.01.2024, S. 11
Thomas Stange: Mail Art für den Frieden. Ost:Journal 2023